HW Digitale Stadt:Einleitung: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 19. Dezember 2019, 21:20 Uhr

Die Digitale Stadt > Inhalt > Einleitung


Offenheit und Neugierde,

Digitale Technik,

Diskurs und Werte für die Kommune der Zukunft




Digitale Transformation

Die Gesellschaft verändert sich. Die digitale Transformation wird das Leben der Menschen nachhaltig neu justieren und tut dies schon. Die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen, wird sich ändern: Wie sie miteinander kommunizieren, wie und wo sie sich begegnen und unterstützen, wie sie in einer globaleren Welt immer mehr die Nähe suchen und sich gleichzeitig weltweite Informationen zunutze machen, wie Menschen Geschäfte abschließen und durchführen oder wie sie ihren Bedürfnissen nachkommen und sich ihre täglichen Wünsche und Träume erfüllen. Dies alles findet vor allem in der realen Welt statt, nur die Instrumente hierfür werden vielfältiger, die Interaktion wird schneller, digitaler und vernetzter, die Potenziale wachsen.

Dementsprechend sind der Weg und das Ziel der Gestaltung der digitalen Transformation sehr individuell. Sie können nur eigenständig von den Menschen vor Ort selbst definiert und dann unterstützt werden.

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Abb. 1 | Herausforderungen der Digitalen Stadt


Bestimmte Ideen, Produkte und Dienstleistungen finden breite Unterstützung, werden von allen genutzt, manche sind Nischenabnehmern vorbehalten und viele verschwinden nach kurzer Zeit wieder. Dementsprechend richtet sich der Prozess der digitalen Transformation zutiefst an einer konstruktiven, liberalen Bürgergesellschaft aus: Der Erfolg des gesellschaftlichen Wandels definiert sich aus dem beschleunigten Prozess von „Trial and Error“ und der Bereitschaft, einerseits immer wieder neue Wege gehen zu wollen, andererseits auch aus den Fehlern und Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen – und das in einem „digitalen Tempo“.

Die Digitalisierung der Gesellschaft verändert gesellschaftliche Prozesse und hinterfragt Wertvorstellungen. Dies bietet die Chance, bisherige Übereinkünfte – beispielsweise das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft, aber auch die Rolle von Kommunen zu ihren Bürgerinnen und Bürgern, zur Privatsphäre, Datenschutz oder geistigem Eigentum – abseits rein technischer Fragen – vorurteilsfrei neu zu diskutieren und so überfällige Veränderungen anzustoßen oder auch an Bewährtem festzuhalten. Die technischen Innovationen der letzten Jahre sorgen jedoch, wie alle Veränderungen, deren Auswirkungen auf den menschlichen Alltag noch nicht gänzlich bekannt sind, in Teilen der Bevölkerung für Angst, Zurückhaltung und Rückbesinnung auf etablierte Verhaltensmuster.

Dieses Spannungsfeld zwischen notwendiger Innovation und dem Überdenken bestehender Strukturen einerseits und dem Willen, auch bewährte Vorstellungen beibehalten zu wollen, ist eine Chance. Denn fortwährende sachliche Diskussionen stärken den Freiheitsgedanken in der Gesellschaft.

Liberale Bürgergesellschaft

Gerade bei der digitalen Transformation sollten neue Techniken nicht nur deshalb eingeführt werden, weil „digital“ einfach „hip“ ist. Bei der ein oder anderen „Nerd-Diskussion“ hat man den Eindruck, dass die Digitalisierung selbst der eigentliche Sinn der Weiterentwicklung sei. Entscheidend ist aber vielmehr, dass die digitale Transformation immer zum Ziel haben muss, den Menschen zu dienen und sie bei der Verwirklichung ihrer Ideen und Lebensweise zu unterstützen.

„Möglichst viel Freiheit für möglichst viele Menschen“ ist das Credo. Optimismus, Offenheit und Vernunft sind die Leitplanken
für die Weiterentwicklung.

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Abbildung 2 | Anteil der Personen, die das Internet für das Einsenden ausgefüllter Formulare an Behörden nutzen
(im Zeitverlauf)

Wesentlicher Ort für die technischen Innovationen und den Diskurs ist die liberale Bürgergesellschaft und die Gemeinschaft vor Ort, in den Städten und Kommunen. Hier und jetzt, in Kommunen und Landkreisen, wird die Digitalisierung real. Die Bandbreite der relevanten Themen und Herausforderungen ist immens (siehe Abb. 1). In Deutschland leben bereits heute mehr als 75 Prozent der Menschen in Städten. 2050 werden 2/3 der Weltbevölkerung in Städten leben.[1] 84 % der Deutschen nutzen täglich das Internet. Damit liegt Deutschland beim Vergleich mit anderen europäischen Ländern im oberen Drittel. Etwa die Hälfte aller Deutschen nutzen das Internet um Informationen von Behörden zu beschaffen. Gerade einmal 18 % (Stand 2017) nutzen das Internet, um ausgefüllte Formulare an Behörden zu senden. Dieser Wert ist verglichen mit dem EU-Durchschnitt alles andere als hoch, aber: immerhin (siehe Abb. 2)![2]

Nicht alles, was möglich ist, sollte oder wird flächendeckend umgesetzt werden oder ist von einem auf individuelle Freiheit ausgerichteten Menschenbild getragen. Doch viele der neuen Möglichkeiten können helfen, die täglichen Bedarfe und Anforderungen der Menschen leichter, freier, sicherer und manchmal einfach besser zu erfüllen. Sowohl Unternehmerinnen und Unternehmer als auch Erfinderinnen und Erfinder können viel zur Entwicklung unserer Gesellschaft beitragen – durch Digitalisierung kann das Leben für Eltern, Seniorinnen und Senioren, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder Jugendliche einfacher und unkomplizierter werden, mehr Chancen eröffnen oder einfach neue Business-Modelle und mehr Wertschöpfung schaffen. Es gilt aber immer: Orientierung und Leitlinien sind, wie im realen Leben, wichtig und bedürfen einer Übertragung auf die neuen Technologien und ihre Chancen. Hierbei gelten offline wie online die gleichen Werte und Wertvorgaben.

Diese digitale Transformation findet erlebbar vor allem in den Städten und Gemeinden statt – in Deutschland und weltweit. Neben der Klimaerwärmung, der demographischen Entwicklung und der Ressourcenknappheit wird die digitale Transformation das tägliche Leben, sei es durch Dienstleistungen, neue Geschäftsmodelle oder Veränderungen der

„alten Geschäftsmodelle“, städtische und unternehmerische Produkte erheblich verändern. Die Menschen stellen immer mehr Fragen und wollen Antworten, wollen Orientierung und Unterstützung. Kulturelle und soziale Fragen sowie Fragen zu einer effizienten, kostenbewussten Verwaltung verlangen nach einer neuen Steuerung, neu definierter Bürgerbeteiligung und einer Justierung politischer Prozesse vor Ort.

Entsteht eine Vereinzelung der Menschen, wenn alle nur noch per Smartphone oder Computer kommunizieren? Oder kommen gerade durch die Digitalisierung die Menschen wieder zusammen, da das soziale Leben leichter zu organisieren ist? Kann die Digitalisierung wirklich der Verstädterung entgegenwirken und ist Mobilität ohne oder zumindest mit weniger Luftverschmutzung denkbar? Wunder werden von der Digitalisierung nicht zu erwarten sein, aber vieles wird davon abhängen, wie neue Wege genutzt und akzeptiert werden und ob die Menschen bereit sind, neue Wege gehen zu wollen.

Aber nicht nur individuelle Zielsetzungen sind zu beachten: Innovative Lösungen und Ideen der Bürgerschaft mehren das Ansehen und die Ausstrahlung jeder Kommune, egal ob klein oder groß. Neugierde und Experimentierbereitschaft schaffen ein innovatives Umfeld und sind „zukunftsattraktiv“. Nur wer den Wettbewerb um eine aktive Bürgerschaft, um eine agile Unternehmerschaft und moderne Arbeitsplätze,  um Fachkräfte, um die bestmögliche finanzielle, ökologische und technologische Nachhaltigkeit sowie um demokratische und soziale Resilienz gewinnt, kann als Kommune mithalten.

Entwurf einer Agenda

Freie, engagierte Bürgerinnen und Bürger werden die Transformation aktiv gestalten und sich mit eigenen Vorschlägen einbringen. Sie sind bereit, offen und wertorientiert unser Gemeinwesen voranzubringen. Wer als Entscheiderin oder Entscheider im Rathaus und Rat nicht vom digitalen Zug überfahren werden will, sollte jetzt den Mut zur Gestaltung haben und zur Entwicklung der Rahmenbedingungen beitragen.

Dabei bleibt noch sehr viel zu tun: Nach einer Studie von Roland Berger aus 2019 ist keine deutsche Stadt in inter- nationalen Rankings unter den ersten 10 bei der Digitalisierung (siehe Abb. 3).[3] Erhebliche Funklöcher und Lücken in der Breitbandversorgung bilden noch immer den Alltag im Jahre 2019. Das heißt momentan: Weder besteht die technische noch die konzeptionelle Voraussetzung für den nächsten Schritt. Ein sehr bedauerliches Zeichen. In Deutschland besteht also noch erheblicher Nachholbedarf bei der Bereitschaft neue Wege zu gehen.

Viele Entscheiderinnen und Entscheider in den Städten sind noch unentschlossen und brauchen erst klare, politische Anstöße. Vielfach fehlt die Zeit, fehlen die Mittel oder die Ressourcen. Trotzdem: Die Entwicklung schreitet voran und ein zu langes Warten kann erhebliche Folgen gerade in der Einschränkung des Gestaltungsspielraums für die Zukunft der Stadt bedeuten. Denn wenn die Übernahme öffentlicher Aufgaben durch (ausländische) Unternehmen stattfindet, können Entwicklungen und Standards nur noch langsam und schwerfällig mit Partnern beeinflusst werden. Es macht absolut Sinn, sich konkret eine Agenda zu setzen und sich strategisch zu überlegen sowie rechtlich zu prüfen, ...

  1. wo die Stadt allein,
  2. wo die Stadt zusammen mit anderen (anderen Städten und Gemeinden in der interkommunalen Zusammenarbeit oder/und zusammen mit privaten Dritten) und
  3. wo die Stadt Dienstleistungen (auch der Daseinsvorsorge)

... gänzlich durch Dritte durchführen lässt. 

Digitale Projekte können aus politischen Gründen, dem Ansiedlungswettbewerb oder aus Kostengründen immer dringlicher werden, sodass angesichts der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des „normalen Geschäftsbetriebs“ mit den bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Hinzuziehen von befristetem, externen Sachverstand sinnvoll erscheint. Schon Fördermittelanträge, Vergabeverfahren oder Bedarfs- und Marktanalysen können – marktwirtschaftlich – Dritte übernehmen.

Doch hierbei ist auf Qualität zu achten, denn angesichts verlockender Finanzspritzen, Fristen und neuer unternehmerischer Initiativen sind viele „Institutionen“ mit wohlklingenden Namen unterwegs. Auch von den Ländern oder kommunalen Spitzenverbänden vermeintlich gesetzte, öffentlich subventionierte „Inhouse-Berater“ – ohne Erlaubnis zur nötigen Rechtsberatung und ohne Beachtung der kommunalen (rechtlichen) Rahmenbedingungen – bieten zu sehr günstigen Preisen ihre Leistungen an. Wer hier nicht sorgfältig auswählt und spart, wird von den Zusatzkosten überrascht, wenn die „Reparatur“ noch teurer wird.

Entscheidend für eine wirkliche Unterstützung bei SmartCity-Projekten ist die interdisziplinäre Herangehensweise. Zu häufig bergen z.B. das Vergabe- oder das EU-Beihilferecht Risiken, die bei oberflächlicher Herangehensweise zu gefährlichen Fallen werden können. Deshalb sollte neben der Einordnung und dem kaufmännischen Verständnis von öffentlichen und privaten Geschäftsmodellen, Transformationsüberlegungen und neuen Projektmanagementideen auch die technische Komponente (z.B. IT-Sicherheit, E-Akte) und vor allem die kommunale und verwaltungsrechtliche Praxis beachtet werden.

Wer die Digitalisierung in der Stadt und in der Bürgergesellschaft verantwortlich mitgestalten will, muss sich aktiv ein- bringen. Denn: Alle Bürgerinnen und Bürger gestalten mit ihren Smartphones bereits jetzt die Digitalisierung. Sich  Einbringen heißt, proaktiv, digital und offen agieren. Eine gute Strategie legt den Grundstein für Erfolg. Diese Strategie, der formulierte und festgelegte Wille, sich auf das Neue einzulassen, sorgt dafür, dass man nicht von den Wellen überrollt oder nur getragen wird, sondern auf ihnen surfen lernt.

Die Digitalisierung ist hierbei kein fester Begriff: Vieles ist im Fluss.[4] Vor allem bei den folgenden Themen und Herausforderungen sind Fortschritte nötig – wohl wissend, dass dies nur beispielhafte Forderungen sein können:


Abbildung 3 HW.png

Abb. 3 | Top 10 Smart Cities weltweit


((Fußnoten verifizieren))

[1] United Nations (2018)

[2] Avenir Suisse et al. (2018)

[3] Roland Berger (2019)

[4] Vorweg zur Herangehensweise: Das Leben ist so vielfältig wie die digitalen Möglichkeiten. Deshalb gibt es in der Zeit des Verfassens bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags bereits weitere Lösungen, Ideen und Herausforderungen. Insofern kann kein Papier zur Digitalisierung immer auf dem neusten Stand sein oder gar den Anspruch erheben, vollständig und umfänglich alle Themenstellungen, Ideen oder Lösungen aufzugreifen. Vieles ist bisher nur wenig erprobt; längst ist es kein Standard, sondern lediglich ein Versuch. Insofern kann es sich anbieten, das eine oder andere auch in der eigenen Gemeinde oder Stadt, im Landkreis oder in der Selbstverwaltungskörperschaft auszuprobieren. Deshalb soll Grundsätzliches mit Beispielen und einzelnen Vorstellungen unterlegt und klar verdeutlicht werden: Es gilt, offensiv die Chancen aus der neuen Technologie hervorzuheben – für jeden Einzelnen, für die Stadt und Kommune, aber auch für unsere lebendige Bürgergesellschaft insgesamt.