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UUL:Handbuch

12.064 Byte hinzugefügt, 22:09, 2. Feb. 2018
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====5. Vision====
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Im Rahmen des Modellprojekts sollen unter Verwendung partizipativer, an Co-Design und Co-Produktion orientierten Formate zusammen mit Newcomers (Geflüchtete) relevante Orte gefunden, untersucht und dargestellt werden. Das Ziel ist jedoch weniger die Erstellung eines Typenkatalogs – die Orte sollen erstmal in ihrer Einmaligkeit gewürdigt werden und unter Berücksichtigung ihrer spezifischen physisch-materiellen und sozialen Ausprägung und Rolle im Kontext der gesamtstädtischen, bzw. regionalen Arbeitsteilung von Akteuren, Räumlichkeiten und Nutzungen weiterentwickelt werden. Zusammen mit den jeweiligen Aufsuchenden, die Orte nutzen und sich aneignen sollen geeignete Interventionen entwickelt werden, um konkrete Veränderungspotentiale aufzuzeigen.
 
 
=Exkurs1: Forschungsdiskurse zu Stadtentwicklung im Kontext von Migration und Flucht (Exzerpte – work in progress)=
===1. Homogenisierung und Positionierung von Geflüchteten in Forschung und Praxis===
Migrantinnen und Flüchtlinge werden in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals als “kulturell Andere“ wahrgenommen, die sich anpassen müssen und unter dem Stichwort der Integration in spezieller Weise gefördert und behandelt werden. Insbesondere geflüchtete Personen erscheinen in diesem Diskurs häufig als hilfsbedürftig, passiv und bemitleidenswert. Medien, Politik und auch die Wissenschaft sind an diesen Prozessen der Positionierung in starkem Maße beteiligt. Die Handlungsweisen der unterschiedlichen Institutionen im Bereich der sogenannten Flüchtlingshilfe können hier beispielhaft herangezogen werden: Obwohl ihre Arbeit als notwendig einzuordnen ist, werden geflüchtete Menschen darin in bestimmter Weise als hilfsbedürftig und in erster Linie passiv positioniert und homogenisiert. Hinzu kommt, dass der Großteil der Engagierten politisch nicht aktiv ist und dahingehend auch nicht stärkend agieren kann. So gab es kaum ein kritisches Wort zu den immer neuen Asylrechtsverschärfungen.
 
Auf diese Weise werden nicht nur die staatlichen Institutionen, die derartige Situationen hervorbringen, in denen sich geflüchtete Menschen befinden, ausgeklammert. Die Darstellung geflüchteter Personen als hilfsbedürftige Opfer oder als Eindringlinge lässt diese daneben verstummen und entmachtet sie. Im Rahmen des nationalstaatlichen dominanten Diskurses sind geflüchtete Personen keine legitimen, mit Rechten ausgestatteten Sprecher.
 
 
Es ist daher nötig, dominante Diskurse aufzubrechen und sich aus einer anderen und vor allem gemeinsam gestalteten Perspektiven dem Thema Flucht zu nähern. Es sollen Möglichkeiten geschaffen werden, die den Geflüchteten selbst das Wort überlassen, um sich in den Prozess gesellschaftlicher Subjektkonstituierungen einzubringen. Darüber hinaus geht es aber auch darum, festgefahrene Diskurse zu verlassen.
 
 
===2. Lebens- und Wohnsituationen von Geflüchteten===
Dabei gibt es große Erkenntnislücken zu den tatsächlichen Lebens- und Wohnsituationen von Geflüchteten sowie zu den Dynamiken ihrer soziallokalen Aktionsräume.
 
Einzelfall-Untersuchungen haben hier gezeigt, dass der tägliche Aktionsradius zum Teil mehrere Städte umfasst, um so soziale Beziehungen, die teilweise aus den Heimatländern, teilweise aus dem Fluchtzeitraum stammen, zu pflegen. So geben z.B. einzelne geflüchtete Personen, die in einer Karlsruher Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind, an, so gut wie täglich mit der S-Bahn nach Heidelberg zu fahren, um Freunde zu besuchen und so gemeinsam die oftmals im Übermaß vorhandene Freizeit zu verbringen. Angesichts dieser Tatsache ist die Annahme, bzw. Forderung im Rahmen des „Dezentralen Wohnens“, dass „Integration“ im „Quartier“ stattfinden muss bzw. dass das Quartier als täglicher Aktionsradius und Container für wesentliche soziale Beziehungen ausreicht, in dieser so oft formulierten Pauschalisierung in Frage zu stellen.
 
===3. Nachhaltige Strukturen in der Stadtentwicklung===
Nicht zuletzt ist es das Ziel, gemeinsam ein Bewusstsein für nachhaltige Strukturen in der Stadtentwicklung zu schaffen. Das Themenfeld Stadt und Migration wird allerdings nur selten mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs verknüpft, bzw. in der Diskussion um eine nachhaltige Stadtentwicklung mitgedacht. Dabei ist das Thema Migration in Städten längst wieder auf der politischen Agenda und wird durchaus in einer langfristigen Perspektive gedacht, in erster Linie jedoch aus einer integrationspolitischen Perspektive.
 
So soll die im Integrationsgesetz verwirklichte Wohnsitzauflage zur Vermeidung von „Ghettobildung“ beitragen und vertritt das Ideal der „sozialen Durchmischung“ in den Stadtteilen. Des Weiteren wird Migration immer mehr als Ressource für „kulturelle Vielfalt“ in Städten, wie zum Beispiel Frankfurt am Main oder Mannheim, diskutiert und damit auch als „Potential“ für die Zukunft der Städte begriffen. Während auf diese Weise zunächst einmal ein repressiver Integrationsbegriff ausgehebelt wird, so wird die Bedeutung von Migration und Migrantinnen doch aus einer ökonomischen Perspektive gedacht, die bspw. der lokalen Wirtschaft nützt. Diese Ansätze jedoch überlagern sich mit Vorstellungen aus dem Integrationsdiskurs, indem sie den Mythos einer nationalen Normalität fortschreiben. Nur in wenigen Städten ist Migration im Selbstverständnis verankert, unabhängig von Folklore oder dem Bezug zum „hippen“ Migrantenviertel.
 
Die in diesem Rahmen gewonnen wissenschaftlichen Erkenntnisse dienen als Impulse, die in die Heidelberger Stadtgesellschaft zurück gespielt werden, wo Governanceprozesse, Kommunikations- und Partizipationsstrukturen zwischen allen Beteiligten weiterentwickelt werden können.
 
Zudem gilt es, Formen und Möglichkeiten der Verstetigung auszuloten und bestehende Strukturen des Praxispartners Each1Teach1 zu nutzen und neu zu bespielen. Der stetige Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Praxispartnerinnen sowie die gemeinsame Entwicklung von Realexperimenten fungieren als Katalysatoren, die eine Entwicklung nachhaltiger urbaner Prozesse und Strukturen triggern.
 
Dadurch wird das Reallabor nicht nur zu einem Lernort, indem es die Möglichkeit bietet im direkten Austausch voneinander zu lernen, sondern es stößt gesamtgesellschaftliche Transformationsprozesse an, indem es sowohl das Selbst- als auch das Weltbild der Akteure und Akteursgruppen in der Stadtgesellschaft herausfordert und Neuformierungen anstößt.
 
 
=Prozess und Methoden=
Das Modellprojekt verfolgt einen einerseits qualitativen, andererseits partizipativen Forschungsansatz, der durch unterschiedliche intervenierende und transformative Formate ergänzt wird.
 
So wurden bereits in der Konzeptionsphase aus dem Netzwerk des Kooperationspartners Each1Teach1 e.V. (i.Gr.) interessierte Personen - darunter mehrere geflüchtete Personen – in den Ideenfindungsprozess involviert. Es zeigte sich eine große Bandbreite an Bedürfnissen, Erwartungen, Wünschen und Visionen, wie das nun vorliegende Kooperationsprojekt inhaltlich ausgestaltet werden könnte. Sie flossen zu großen Teilen in die oben formulierten Aspekte mit ein. Darüberhinaus hat sich eine Organisationsstruktur gebildet, die aus einem „Kernteam“ aus 3 Personen, sowie einem erweiterten „Forschungs- und Interventionsteam“ aus 10 Personen besteht, das nun bereit ist, die operative Arbeit aufzunehmen.
 
Während der Phase 1 erfolgt die initiale Beschäftigung mit den als relevant betrachteten Orten. Hierfür werden verschiedene Untersuchungs-, Darstellungs- und Kommunikations-, und Evaluationsformate entwickelt, getestet und weiterentwickelt. Die Phase 1 findet in einem zunächst weitgehend abgeschlossenen Team statt. In Phase 2, die auf Basis der Erfahrungen und Evaluation von Phase 1 konzipiert wird, ist eine schrittweise Öffnung des Modellprojekts in die Heidelberger Stadtgesellschaft vorgesehen. Die Methodik aus Phase 1 wird hier verstetigt und skaliert hinsichtlich Teilnehmern und untersuchten Orten. Darüberhinaus werden an den untersuchten Orten zusätzlich verschiedene Interventionen, die die jeweilige sozialräumliche Struktur und Praxis beeinflussen sollen, konzipiert und durchgeführt. Die Ergebnisse aus Phase 1 und Phase 2 dienen wiederum als Grundlage für die Konzeption eines neuen „Idealen Ortes“ mit dem Arbeitstitel „Heimatmuseum“, der die verschiedenen Aktivitäten des Modellprojekts an einem zentralen Punkt in der Stadt Heidelberg zusammenführen soll und verschiedene Formate aus den Disziplinen Kultur, Bildung, Soziale Arbeit und Forschung zusammenführen soll – vor dem Hintergrund der untersuchten Orte und den dort identifizierten sozialen Praktiken. Mit einem Symposium, das die Ergebnisse des Modellprojekts inhaltlich und methodisch in der Stadtgesellschaft und Fachöffentlichkeit vorstellt und reflektiert, werden die vielfältigen Aktivitäten abgeschlossen.
 
Vorarbeiten + Team-Building
 
Gemeinsam mit Personen aus dem Netzwerk der Initiative Each1Teach1 und weiteren Personen wurden seit Mai 2017 mehrere Ideen entwickelt, die nun in das hier vorliegende Konzept eingeflossen sind.
 
 
Phase 1 (ab 09/2017 bis voraussichtlich Ende 12/2017)
 
Mapping-Prozess
 
Mithilfe sowohl kollektiver als auch subjektiver Mapping-Methoden sollen wichtige Orte, die im Leben der Geflüchteten sowie Einheimischen eine Rolle spielen, identifiziert werden. Herausgefunden werden soll beispielsweise, welche Wege gegangen werden, welche Orte auf welche Weise genutzt werden, welche unterschiedlichen Bedeutungen verschiedene Orte tragen, wie unterschiedlich die gleiche räumliche Situation wahrgenommen werden kann – und welche Auswirkungen diese symbolischen Zuschreibungen auf die physisch-materielle Ausprägung der Stadt hat.
 
Verschiedene Personen werden dazu regelmäßig dazu eingeladen, Konturen und Emotionalitäten ihrer Stadt – Heidelberg – sichtbar zu machen, sich mit anderen dazu auszutauschen und die Stadt mit anderen Augen zu sehen.
 
Die aus diesen Aktivitäten heraus entstehende, sich dynamisch verändernde kollektive Karte dient dann als die Grundlage für die Untersuchung der identifizierten Orte.
 
Orte untersuchen und darstellen
 
Anhand eines experimentellen Methodendesigns werden die identifizierten Orte „vor Ort“ untersucht und mit unterschiedlichen Medien sowie künstlerischen Mitteln dargestellt.
 
Danach wird eine Vergleichbarkeit hergestellt, sie werden übersichtlich aufbereitet und auf einer zunächst nur intern zugänglichen digitalen Plattform (Wiki, Karte) veröffentlicht.
 
Ergebnisse zusammenfassen
 
Die Ergebnisse werden nochmals unter sowohl inhaltlichen als auch methodischen Gesichtspunkten abschließend aufbereitet und zusammengefasst, evaluiert und dienen dann als Grundlage für die Konzipierung der Forschungs- und Interventionsformate aus Phase 2, die das Modellprojekt verstetigt, skaliert und in die Stadtgesellschaft hinein öffnet.
 
Phase 2
 
In Phase 2 laufen Mapping-Prozess und Orts-Untersuchung weiter, werden jedoch durch transformative Formate ergänzt.
 
Urbane Interventionen
 
Auf Grundlage der Untersuchungen und Erfahrungen aus Phase 1 werden kollaborativ mögliche urbane Interventionen an den Orten konzipiert und durchgeführt. (Beispiele?)
 
Danach werden die Veränderungen sowie mögliche Wirkungen dokumentiert.
 
Heimatmuseum
 
Die Konzeption und Realisierung des Heimatmuseums erfolgt auf Grundlage der vorher durchgeführten Untersuchungen und Interventionen. Es soll verschiedene Formate aus Kultur, Bildung, Sozialer Arbeit und Forschung zusammenfassen, die vor dem Hintergrund der thematisierten inhaltlichen Aspekte (siehe oben) konzipiert werden. Das Gebäude soll als experimentelle bauliche Struktur auf Veränderungen während Phase 2 dynamisch reagieren können, optional kann es auch als mobile Struktur ausgeführt werden.
 
Symposium
 
(ggf. als integraler Bestandteil der Reallabor-Abschlusskonferenz)
 
Das Symposium dient als großer öffentlicher Abschluss. Das Modellprojekt soll hier inhaltlich und methodisch reflektiert und evaluiert werden. Verschiedene Referenten aus Forschung und Praxis sollen neben den ursächlich Betroffenen, nämlich geflüchteten Personen – sollen sich daran beteiligen und in Form von Vorträgen, Workshops etc. zu Absichten, Inhalten und Methoden qualitativer bzw. partizipativer Methodiken, Migrations- und Stadtforschung, Governance, Sozialwissenschaften etc. gemeinsam dafür sorgen, dass das Modellprojekt in Stadtgesellschaft, Politik und Fachwelt hineinwirkt und Grundlage für weitere Diskurse, Forschungen, Aktionen und Projekte wird.
 
Das Symposium kann selbstverständlich auch modifiziert und integraler Bestand-teil der Reallabor-Abschlusskonferenz werden – sofern der Rahmen der Reallabor-Abschlusskonferenz geeignet ist und die zulässt.
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